Auf der Suche nach den Hippos
- Svenja Polinski
- 12. Nov. 2015
- 5 Min. Lesezeit
Am vergangenen Wochenende haben wir Wa und Umgebung erkundet. Wa ist die Hauptstadt der Upper West Region, im Verhältnis zu Tamale als Hauptstadt der Northern Region, aber etwas kleiner. Unser Bus startete Freitag morgen um 7:00 Uhr, weshalb wir uns einen Tag Urlaub vom Kids Club nahmen und fünf Stunden über Ghanas Stolperstraßen nach Wa fuhren. EIgentlich sind die Straßen nicht so schlecht, wie die Sandwege, die hier auch weit verbreitet sind, aber es gefällt den Ghanaern, an allen möglichen Stellen "speed ramps" einzubauen, also kleine Hügel auf der Straße. Das sorgt dafür, dass die Fahrzeuge immer wieder scharf bremsen, um nicht zu schnell über die Erhebungen zu donnern und dementsprechend wird man durchgeschüttelt. Auf einer etwas schlechteren Straße kam es dann dazu, dass unser Busfahrer trotz zahlreicher Schlaglöcher nicht daran dachte, langsamer zu fahren, sondern sie einfach in harten Ausweichmanövern zu umfahren. Und wie sollte es anders sein, dass gerade ich bei einem dieser Manöver von meinem Sitz rutschte und im Gang landete. Ansonsten verlief die Fahrt aber wie immer und als wir unsere Zimmer im Gästehaus bezogen hatten, gab es erstmal Mittagessen und dann einen Gang über den Markt. Der Markt war echt groß und es waren so viele Menschen auf einem Haufen, aber man merkt auch, dass es nicht "unsere Leute" aus Damongo waren. Immer wenn ich Fotos gemacht habe, haben sich die Menschen aufgeregt und mir auf ihrer Sprache eine Predigt gehalten, die ich aber nunmal leider nicht verstanden habe, sich vermutlich aber darum drehte, dass sie nicht von Fremden fotographiert werden wollen. Konnte ich auch verstehen, also habe ich es gelassen.







Als wir unsere Marktrunde beendet hatten, kauften wir ein paar Kekse und Wasser als Verpflegung für die Nacht und den Morgen in Wechiau, in der Hippo Sanctuary. Bei der Gelegenheit fragte ich den Kassierer, was es in Wa noch zu sehen gäbe, aber als Antwort kam "Damongo maybe". Also harkten wir unsere Sightseeing-Tour ab und schauten uns nach einem Traktrak zurück zum Gästehaus um.

Traktraks sind diese kleinen, gelben, halb offenen Dreiräder, in denen man sich ein bisschen wie in einer Kutsche fühlt, nur ohne Pferde. Das Traktrak, vor dem wir gut zehn Minuten standen, hatte aber scheinbar keinen Fahrer und so sprach uns irgendwann ein Mann an und fragte, wonach wir suchen. Als wir unsere Situation erklärt hatten, war er ganz wild darauf, uns sein Auto anzubieten und sein Kumpel würde uns gerne fahren. Felix war skeptisch, aber ich fand das eine ganz gute Chance, denn ich konnte kein leeres Taxi in der Nähe erkennen und wir hatten den Preis vorher auf 5 Cedi (1,25€) festgesetzt. Außerdem waren wir zu zweit und er allein, also konnte ja nicht viel passieren. Wie sich herausstellte, war der Mann wirklich ganz freundlich, wusste aber nicht im Geringsten, wo das katholische Gästehaus ist und fuhr erstmal falsch. Als er sich nach dem Weg erkundigt hatte, wirkte er leicht eingeschnappt, denn er hatte wohl damit gerechnet, dass wir in einem Gästehaus in der Stadt leben und nicht 2 km außerhalb. Er setzte uns trotzdem sicher ab und ich nutzte die Zeit bis zum Abendessen für ein Nickerchen und einen Blick ins Fernsehprogramm. Ich konnte nur leider überhaupt nicht mit dem Fernseher umgehen. Felix musste mir helfen, ihn überhaupt zum Laufen zu bringen und dann fand ich keine Fernbedienung oder Knöpfe am Gerät, auf denen ich den Sender hätte wechseln können, also schaute ich Zeichentrick-Hulk, danach kam eine Serie von Nickelodeon und es war eine ganz angenehme Abwechslung zu den Prophetensendern, die wir in Damongo haben.Nach dem Abendbrot, ein paar Bieren und einer entspannten Nacht, trafen wir uns um 8:30 Uhr zum Frühstück und besprachen die Fahrt zu den Hippos. Wir checkten aus, ließen uns von einem Taxi zur Bushaltestelle bringen und stiegen dort in ein Trotro, das uns von Wa nach Wechiau brachte, der Ort, in dem sich die Hippo Sanctuary befindet. Im Internet hatten wir ja schon von die schlechte Verpflegung gelesen und von einer 15 km Fahrt. Ich saß im Trotro ganz hinten und mein Fuß wurde von einem Ersatzreifen eingeklemmt, aber bei dem Gedanken einer 10-Minuten-Fahrt, fand ich das nicht schlimm und wollten niemandem großen Aufwand bereiten. Wir fuhren durch die Landschaft und aus dem dichten Blätterdach rund um Damongo war längst eine Aussicht, wie in der Amarula-Werbung geworden. Die Bäume standen nur noch in etwas Abstand auf goldenem, hochgewachsenem Gras - da fehlte nur noch der Elefant im Hintergrund. Als mir nach einer halben Stunde klar wurde, dass wir immer noch nicht angekommen waren, begann mein Schienbein langsam zu schmerzen und die Umgebung sah nicht so aus, als wären wir bald angekommen. Nach einer weiteren halben Stunde wurden wir langsamer, das Trotro setzte rückwärts neben ein großes, neu aussehendes Gebäude und ich hörte einen lauten Knall - unser Reifen war geplatzt. Ich hatte erwartet, dass das große Gebäude das Informationszentrum der Hippo Sancuary sei, es stellte sich aber als Schule heraus und wir waren eigentlich nur hier, weil eine der Passagiere hier Schülerin war. Der geplatzte Reifen, konnte durch den ersetzt werden, der dabei war, meinen Fuß absterben zu lassen und so war ich endlich wieder frei, konnte draußen erstmal etwas rumlaufen und die Zeit für ein zweites Frühstück nutzen. Im Anschluss an diese kleine Panne hatten wir nur noch eine viertel Stunde Fahrt vor uns, dann standen wir endlich in Wechiau, das auf den ersten Blick aus ca. 30 Häusern entlang einer T-Kreuzung besteht.



Groß war es also wirklich nicht, aber gut für uns, denn so fanden wir (auch dank eines netten Einwohners) recht schnell das Informationszentrum. Der Mitarbeiter dort legte uns die Preisliste vor und erklärte uns das Vorgehen. Wir sollten, nachdem wir gebucht hatten, nochmal in die "Stadt" und uns mit Verpflegung eindecken und nutzten die Zeit für ein MIttagessen beim Straßenhändler. In der Zeit wollte der Leiter des Sanctuary einen Guide anrufen und für einen Motorking sorgen.
Motorkings sind hier sehr beliebt, sie bestehen aus dem Vorderteil eines Motorrads, haben aber hinten zwei Räder und eine große Ladefläche, genau richtig also, um uns beide zu transportieren. Der Guide war nicht da, als wir zurückkamen, aber nach etwa einer halben Sunde kam er und die Fahrt ging los. Was wir jetzt vor uns hatten, waren vermutlich die 15 km, die im Internet erwähnt wurden, nur dass es in Wirklichkeit 18 km waren. Auch diese Fahrt war unglaublich. Allein die Natur lässt mich jedes Mal staunen, aber im Motorking ist man dem Ganzen nochmal näher, als hinter einer Bus- oder Trotroscheibe.Eigentlich wollten wir auf einem Hippo Hide schlafen, also einer Plattform in einem Baum, von wo aus man nachts die nachtaktiven Hippos auch außerhalb des Wassers bei ihrer Nahrungssuche beobachten kann. Der Mann im Informationszentrum machte uns da aber schon einen Strich durch die Rechnung, denn während der Regenzeit sei es sehr wahrscheinlich gewesen, dass etwas morsch geworden ist und er wollte uns dieser Gefahr nicht aussetzen. Also mussten wir in der Lodge des Sanctuarys schlafen. Sie sah aus wie ein Teil unseres Hauses in Damongo, bestand also aus drei Räumen aneinander, die jeweils eine Tür zur Veranda hatten. Ein seperater Raum war, wie in Damongo, der Lagerraum für Küchengeräte und die Toilette war ein Plumpsklo. Diese Lodge war etwas ernüchternd nach der phantastischen Fahrt, denn als ich mein Zimmer betrat, stach mir ein starker Geruch nach Mäusekot in die Nase und ich hörte die kleinen Tiere auf der anderen Seite meiner Holzdecke kriechen und kämpfen. Felix' Raum war aber gut, vielleicht hatte ich nur Pech und als ich den Ventilator auf Maximum stellte, übertönte er die Mäuse auch ganz gut, sodass ich die Nacht relativ ruhig überstand.

Bevor es allerdings Nacht wurde, machten wir noch eine Bootstour über die Schwarze Volta, die die Grenze zwischen Ghana und Burkina Faso darstellt, um mit etwas Glück die Nilpferde zu sehen. Es war unglaublich schön! Das kann man sich gar nicht vorstellen, es war wie im Film, nur real. Unser Guide für uns mit seinem Motorrad die halbe Strecke bis zum Fluss, setzte uns ab und lies uns allein weiterlaufen, weil er seinen Bootsmann und Rettungswesten holen wollte.
Also liefen wir und liefen und standen plötzlich an einer Weggabelung. Relativ schnell entschieden wir uns für den Weg, der mehr nach Geradeaus aussah und lagen glücklicherweise richtig. Felix erzählte gerade von Leoparden, die auch in dieser Gegend leben sollen, da sah ich Katzenspuren im getrockneten Schlamm - das war schon ein aufregendes Gefühl.
Und als wir ankamen, stockte mir der Atem. Wir standen plötzlich in einer Bucht, die von Bäumen und Pflanzen bewachsen war und durch die ein kleiner Flussarm führte. Das Blätterdach über uns ließ die Sonnenstrahlen nur teilweise bis zu uns durchdringen und Kletterpflanzen hingen von den Ästen ins Wasser. Am Ufer lagen lange, schmale Holzboote, wie offene Kajaks, die alle mindestens bis zur Hälfte mit Wasser vollgelaufen waren. Ich erwartete fast, dass unser Guide auch gleich ein Boot mitbringt, aber als er mit seinem Begleiter und zwei Schwimmwesten (scheinbar brauchten er und sein Bootsmann keine) zurückkehrte, begannen die beiden eines der Boote leer zu schaufeln und uns auf den Querlatten zu positionieren. Und los ging die Fahrt.

Der Fluss war so groß, er wirkte fast unendlich und an beiden Ufern türmten sich die Bäume und Pflanzen in den schönsten Grün- und Geldtönen, was mich an Bilder vom Amazonas erinnerte. Immer wieder flogen Vögel über unsere Köpfe und direkt zu Beginn der Fahrt wechselten wir die Uferseite, fuhren also ganz nah am Gebiet von Burkina Faso. Hört sich unspektakulär an, war aber echt aufregend, so nah am "Ausland" zu sein. Und dann waren da plötzlich die zwei kleinen Felsspitzen verschwunden, die gerade noch in einiger Entfernung aus dem Wasser ragten. Ich dachte erst, sie seien der Grund, wieso wir das Ufer wechselten, aber als sie abtauchten, wurde mir klar, dass das keinesfalls Felsen waren, sondern die Ohren eines Nilpferdes. Da blieb mir fast das Herz stehen. Ich hatte zu Beginn Probleme damit, zu erkennen, welches Rosa die Augen sind und welches die Ohren und in welche Richtung es wohl gerade schaut, aber wir waren auch sehr weit weg. Trotzdem war es ein tolles Erlebnis und wir beschlossen, gleich am nächsten Morgen noch eine Tour mit dem Boot zu machen.
Zum Abendbrot gab es meine deutschen Tütensuppen und es war das erste Mal für unseren Guide, dass er deutsches Essen gegessen hat - war vielleicht ein etwas schlechtes Beispiel, aber ich war froh die überhaupt dabei zu haben und ihm hat es gefallen. An diesem Abend erzählte er uns auch ein bisschen mehr über die Hippos. Zu Beginn waren in dem Schutzgebiet der Hippo Sanctuary nur sieben Nilpferde zu finden, aber als sie langsam "verstanden", dass sie in diesem Gebiet nicht gejagt werden dürfen, siedelten sich immer mehr an und mittlerweile kann man bis zu 33 Hippos betrachten, dazu noch Schildkröten und Krokodile. Wir waren zu einer etwas ungünstigen Zeit da, denn normalerweise kommen die Touristen am Ende der Trockenzeit (Februar/März), wenn der Wasserpegel des Flusses so tief ist, dass die Felsen aus dem Wasser gucken, auf denen die Nilpferde so gerne stehen - ich werde also meine Besucher auf jeden Fall dorthin bringen. Hippos sind außerdem verdammt faul und bewegen sich den ganzen Tag nicht vom Fleck, wenn sie erstmal einen geeigneten Felsen gefunden haben, von dem aus sie gerade ihre Augen und Nasenlöcher aus dem Wasser halten und alles im Blick behalten können, wenn sie nicht gerade schlafen. Erst nachts kommen sie aus dem Fluss und essen bis zu 40 kg Gras pro Nacht.
Ein Leben aus Schlafen und Essen ist schon ziemlich angenehm. Während ein Männchen bis zu 3000kg schwer wird, schaffen es die Weibchen "nur" auf 2500kg und ziehen sich aus ihrer Gruppe zurück, wenn sie ein Junges erwarten. Nilpferde sind also Rudeltiere, wie Löwen. Ein Männchen kontrolliert bis zu sechs Weibchen und eventuelle Rivalen werden durch Bissduelle vertrieben. Wenn man also ein einzelnes Tier sieht, wie wir, dann ist es entweder ein Weibchen mit Kalb oder ein Männchen.
Unser Guide vermutete sowohl das Tier abends, als auch den Einzelgänger, den wir am nächsten Morgen sahen, als Männchen, denn ihr Gebrüll sei ganz typisch. Das hört sich an, wie eine Kuh in tieferen Tonlagen und weniger "Muh", sondern mehr ein Dröhnen. Wir waren am nächsten morgen zwei Stunden unterwegs und mussten lange nach einem Tier suchen, aber als wir es fanden, lieferte uns das Hippo eine tolle Show. Ich hatte fast das Gefühl, er spielt mit uns, denn zunächst zeigte er, wie sein Vorgänger am Abend, nur seine Öhrchen und die Augen. Als wir näher kamen, drehte er sein Gesicht zu uns, beobachtete uns und tauchte manchmal genau in dem Moment unter, in dem wir unsere Fotoapparate herausholten. Nach einer Zeit wurden wir ihm wohl langweilig, aber wie ein höflicher Gastgeber ließ er sich Flussabwärts treiben, in die Richtung aus der wir gekommen waren, als wolle er uns ein Stück zurück begleiten. Dabei hat er sogar zwischendurch seinen Rücken gezeigt, aber leider immer nur so kurz, dass kein Foto möglich war.Es war ein echt schöner Ausflug und endlich habe ich wilde Tiere hier in Afrika gesehen, statt der Ziegen, Hunde und Kühe, die ich mir auch Deutschland angucken kann. Als wir zurück in Wa waren, besuchten wir noch unsere Brüder Peter und Paul, die dort an der Junior High sind. Die beiden waren mehr als überrascht uns zu sehen, weil der Besuchertag eigentlich am Sonntag der vergangenen Woche war. Wir wollten Yayi da treffen und weil sie noch nicht da war, war der Aufseher auch dementsprechend skeptisch, wie unsere Verbindung zu den Zwillingen ist. Als Yayi endlich da war, hatte sie sogar Junior, Majeed und Steven dabei, unsere Brüder, die in unserem Alter sind und es war ein schöner Nachmittag, aber als ich im Auto saß, war ich auch froh, dass das Wochenende jetzt vorbei war. So lange hatte ich noch nie in irgendwelchen Fahrzeugen gesessen in so kurzer Zeit und als wir in Damongo angekommen waren, ging ich nach dem Essen direkt ins Bett - ich war einfach nur müde.

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