top of page

Ein Wochenende in Tamale


Am vergangenen Wochenende ging es für Felix und mich das erste Mal seit unserer Ankunft raus aus Damongo. Wir wollten nach Tamale, die nächste größere Stadt, die auch nur wenige Stunden von Damongo entfernt ist - es kommt da auf das Transportmittel an, einige Motorräder schaffen eine Stunde, mit dem Trotro haben wir drei gebraucht -, um neue Bücher für den Kids Club zu kaufen. In der Woche vor unserer Fahrt mussten wir uns darum kümmern, dass wir Geld zur Verfügung gestellt bekommen, um alles bezahlten zu können. Als wir das erste Mal zu unserem Ansprechhpartner Fr. Augustine fuhren, waren unsere Angaben zu ungenau und wir sollten die Preise der Bücher herausfinden, aufschreiben und ihm die Liste dann erneut vorlegen. dann würde er sehen, wie viel Geld er uns geben könne. Dass es Probleme mit dem Geld geben könnte, darauf hatte Patience uns schon vorbereitet, aber so eine List hat ja auch was Gutes. So wurde wir uns selbst bewusst, was wir überhaupt alles haben wollten und die List wurde lang. Entgegen meiner Erwartungen, konnte Felix die Liste ohne großes Gerede an Fr. Augustine übergeben und dieser sorgte dafür, dass der Bischof sie unterschrieb und ging sogar direkt mit dem Check für uns zur Bank, weil nach unserem Arbeitsschluss die Bank bereits geschlossen hätte - und wir bekamen tatsächlich ohne murren das gesamte Geld bewilligt, das wir gefordert hatten. Bevor wir nach Tamale fuhren, wollten wir noch das "Fire-Festival" in Damongo erleben. Das gibt es zwar auch in Tamale, aber wir wollten es gern mit der Familie sehen, also fragte sich unsere Tante Fati ein bisschen durch und erfuhr, dass das Festival zwischen neun und zehn Uhr abends beim Chief-Palace starten sollte. (Tante) Fati, (Schwester) Maggy, (Bruder) Ben, Felix und ich machten uns sogar schon um 8:30 Uhr auf den Weg - das ist hier echt was besonders. Ich glaube Fati hat gemerkt, wie sehr ich mich darauf gefreut habe. Unterwegs zum Chief-Palace besuchten wir noch ein paar Freunde von Fati und sahen zwischendurch immer wieder Menschen mit Fackeln. Weil es schon dunkel war, sah allein das schon echt beeindruckend aus und meine Vorfreude wuchs. Wie es aber das Schicksal hier in Ghana mit uns will, kamen wir gerade am Chief-Palace an, als alle anderen gingen. Das Fire-Festival war gerade zuende und Enttäuschung machte sich breit. Fati entschuldigte sich unzählige Male, aber Schuld sei der Typ gewesen, der ihr die falsche Uhrzeit gesagt hat. Das stimmt ja auch und ich war gar nicht böse auf sie, aber einfach genervt, dass wieder einmal ein Plan nicht funktioniert hatte. Auf dem Weg zurück kamen wir an der "Disco 7" vorbei - unsere Stammkneipe, wenn man von sowas hier überhaupt sprechen kann - und als Felix die brilliante Idee kam, einfach noch ein Bier zu trinken, hatten wir wenigstens noch eine sinnvolle Beschäftigung für den Abend gefunden. Während des Biers sahen wir einen der Feuertänzer, die sich wie Buschsoldaten in grün und sogar mit Waffe verkleiden. Diese sind für das Feuer zuständig und machen eine große Show daraus das Feuer durch die Luft zu wirbeln und dazu zu tanzen. Nach dem Bier war ich (wie immer) furchtbar müde, aber mein deutscher Papa hatte Geburtstag und die Party war an diesem Abend. Ich wollte kurz "Hallo" sagen, auch Papas Freunden, aber pünktlich um halb 1 deutscher Zeit, als ich in meinem ghanaischen Zimmer ankam, waren die Gäste in Deutschland weg. Wenigstens meine Familie und mein Freund waren noch da und es war trotzdem ein schöner Abschluss für den etwas misglückten Tag.Am nächsten Morgen ging es los. Wir packten unsere Sachen und fuhren um 9:00 Uhr zum kleinen Marktplatz, von wo täglich die Busse und Trotros fahr

en. Wir kauften unser Ticket und warteten, denn hier gibt es keine festen Abfahrtzeiten, sondern das Trotro fährt, wenn es voll ist - und darauf wartet man schon mal eine Weile. Ich glaube wir hatten Glück, dass wir nur zwei Stunden warten mussten, bis es losging. Und mit der Trotrofahrt startete das Abenteuer, denn in dem Kleinbus saßen wir mit 25 Leuten für drei Stunden. Eine Klimaanlage war Fehlanzeige, aber die Fenster waren zum Glück geöffnet, sodass etwas Luft für Abkühlung an diesem verdammt heißen Tag sorgen konnte. Gerade hatten wir die Weiße Volta überquert, da schien den Fahrer irgendwas zu stören (es sah aus, als sei etwas mit den Gängen, aber da bin ich wirklich kein Experte) und er hielt am Straßenrand an, ließ den Motor aber laufen. Jedenfalls war das der Plan.. denn der Motor ging nach ein paar Sekunden einfach aus und es brauchte eine Viertelstunde Rumgefummel des Fahrers, bis er wieder ansprang. Abgesehen von diesem Zwischenfall, ver

lief der Hinweg aber ganz glatt und als wir in Tamale ankamen, mussten wir auch nicht lange warten, bis unser Bruder Bede uns mit seinem Freund Edmund per Auto abholte. Wir fuhren durch die Stadt und es war beeindruckend, wie viel Trubel da herrschte. Wenn man Damongo gewohnt ist, ist es echt was besonderes. Da war das altbekannte ständige Hupen, das mir schon in Accra aufgefallen war und die vielen Straßenhändler, die angelaufen kommen, sobald das Fahrzeug an einer Ampel stoppen muss. Irgendwann bog das Auto ab und plötzlich waren wir in einer anderen Welt. Wir hätten genauso gut in Damongo sein können, denn aus dem lauten Stadtgewirr war ein ruhiges Vorortleben geworden. Sandwege mit riesen Schlaglöchern, kleine Häuser und die Zahl der Menschen und Autos auf den Wegen war auch auf einmal auf ein angenehmes Maß gesunken.Nach 20 Minuten Fahrt raus aus Tamale kamen wir endlich bei Bedes Wohnung an - und die ist der Hammer! Allein wenn man sich das Gebäude von außen anguckt. Das Grundstück ist mit einer dicken Mauer und Stacheldraht umgeben und auf dem Grundstück stehen zwei gleiche Gebäude, in denen jeweils zwei Wohnungen sind. Durch das beeindruckende Eingangstor betraten wir das Grundstück und gingen bis zur Wohnung hinten rechts. Dort öffnete Bede uns die Tür und wir waren in Europa. Es ist eine kleine Wohnung, aber sie ist unfassbar edel eingerichtet. Die Wände sind in weiß gehalten und die Decke besteht aus Geschnörkel, überall hängen Fotos und Bilder in DinA3-Größe in goldenen Bidlerrahmen, ein großer Flatscreen ziehrt die Wohnzimmerwand, direkt darunter eine große Soundanlage und auf dem Esszimmertisch steht bei unserer Ankunft ein Beamer, der gerade einen Film an die Wand schmeißt. Wohnzimmer und Esszimmer sind durch einen Wandbogen (heißt das so?) getrennt, ebenso wie Esszimmer und Flur. Vom Esszimmer gehen zwei Flure ab, einer zur Küche und zum Hinterausgang, einer zu den Schlafzimmern und der Toilette/Dusche. In unserem Zimmer stand ein Ehebett, ein großer Schrank mit Spiegel und ein Glastisch. In jedem Raum befanden sich selbstverständlich auch Ventilatoren an der Decke, die so eine Power hatten, dass ich nachts mit Decke schlafen musste - worüber ich mich keinesfalls beschwere, denn das war eine willkommene Abkühlung gegenüber der immer heißer und trockener werdenden Tage. Bede und Edmund mussten leider direkt weiter zu einem Meeting, aber unser anderer Bruder Sherif und unserer kleine Schwester Titi, die wir beide schon aus Damongo kennen, waren da und haben uns ein bisschen unterhalten. Abends hat uns Sherif dann ein bisschen die Stadt gezeigt, den gemeinsamen Campus der Schulen, die Buchläden und das Culture Centre. Die Stadt hat wirklich wunderschöne Ecken, das muss man ihr lassen. Wir fuhren relativ zügig wieder zu Bedes Wohnung und ließen den Abend mit einem Bier und einem Film ausklingen. Aufgrund der Tatsache, dass das Bett in unserem Zimmer zwar ein Doppelbett, aber ein sehr schmales Doppelbett war, entschieden Felix und ich, dass ich allein darin schlafe und Felix auf dem Sofa, was sich aber im Laufe des Abends änderte und Felix sich entschied, in unserem Zimmer auf dem Boden zu schlafen. Das war mir wirklich unangenehm, aber Felix ist gerne Gentleman, also konnte ich da wenig gegen machen.Am nächsten Morgen lernten wir den anderen Freund von Bede kennen - Josh. Josh und Edmund wohnen beide nicht offiziell bei Bede, waren aber auch das ganze Wochenende über da und haben uns unterhalten. Während Felix gut mit Edmund klargekommen ist, hab ich mich ganz gut mit Josh verstanden und das hat vor allem den Sonntagabend lustiger gestaltet, als ich erwartet hatte. Wir hatten nämlich wegen des Fire-Festivals beschlossen unser Wochenende bis Montag zu verlängern, da sonntags auch in Ghana die meisten Geschäfte geschlossen haben und wir so nur Montag wirklich Gelegenheit hatten, Bücher zu kaufen. Der Sonntag war insgesamt ein ganz entspannter Tag. Als wir aufstanden, hatten Bede, Josh und Edmund schon das erste Bier geöffnet und so ging der Tag auch weiter - immer wenn man Lust auf ein Bier hatte, konnte man sich eins aus dem prall gefüllten Kühlschrank nehmen. Ich hab mich ein bisschen wie in einer Studentenbude gefühlt aber es war lustig. Die Jungs haben sogar extra für mich Smirnoff Ice gekauft und wir haben uns nicht betrunken, sondern nur zwischendurch mal und abends dann auch mal zwei - wirklich nicht mehr. Nachdem wir Sonntagnachmittag nochmal mit Sherif beim Culture Centre waren, dort ein paar Souvenirs gekauft haben und danach Freunde von Sherif besucht haben, war der Abend sehr gemütlich. Während Felix und Sherif nochmal losfuhren und Knabberzeug und Cola holten, hab ich geduscht und es mir dann auf dem Sofa gemütlich gemacht. Als die Jungs wieder da waren, hat Sherif über den Beamer "Planet der Affen" laufen lassen und Titi weggebracht. Felix und ich waren also allein in der Wohnung und es war mal was anderes zusammen gemütlich einen Film zu sehen, statt jeden Abend draußen auf dem Hof zu sitzen. Als der Film zuende war, kam Sherif wieder und machten den nächsten an und auch Bede &Co kamen wieder und setzten sich zu einem Bier an den Esstisch. Weil ich nicht mehr so konzentrationsfähig war, um mir "Teenage Ninja Turtles" auf englisch anzusehen, setzte ich mich dazu und führte lustige Gespräche über Deutschland, deutsches Bier und "Prost", denn Ghanaer sind immer ganz scharf darauf, deutsche Wörter zu lernen, also warum nicht "Prost". Irgendwann begann sich die Runde aufzulösen und weil ich langsam müde wurde, ging um 1 Uhr ins Bett - so spät wars bei mir in Ghana auch noch nicht. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, ging es mir relativ gut und nach einem gemütlichen Frühstück starteten wir um 10:00 Uhr in die Stadt, um die Bücherliste abzuarbeiten. Bede lud uns nochmal ganz herzlich ein, jeder Zeit wiederzukommen und dieses Angebot nimmt man doch gerne an und wenn ich mal ein großes Bedürfnis habe, meine europäische Seite zu pflegen, dann ist Bedes Wohnung der perfekte Ort dafür.Wir waren also ab jetzt auf uns allein gestellt und hatten schon unsere gesamten Sachen in Rucksäcken dabei, weil wir direkt nach Hause wollten, wenn wir fertig sind und nicht unnötig Geld für ein Taxi zu Bedes Wohnung und zurück ausgeben wollten. Der erste Laden in den wir kamen, war sehr gut und konnte uns fast dreiviertel unserer List direkt zur Verfügung stellen. Für den Rest sollten wir nur die große Straße runtergehen und einmal abbiegen, da gäbe es einen Laden, der sich den Rest hat. Dem Rat folgten wir gern, aber es stellte sich heraus, dass dieser Laden unsere Wünsche nicht erfüllen konnte und auch er schickte uns weiter. Insgesamt waren wir in sechs Läden, um Bücher und ausreichend verstärkende Pappe zu bekommen und sind bestimmt fünf Kilometer gelaufen. "Gutes Workout" würde Fati das nennen. Ich war wirklich dankbar, dass so viele Leute au fder Straße erkannten, dass wir uns nicht aufkannten und uns gerne halfen. Sie machten es sich selbst zur Aufgabe, herauszufinden wo unser Ziel liegt und wenn sie es selbst nicht wussten, fragten sie so lange die Einheimischen, bis uns geholfen war. Aber je mehr Bücher wir kauften, desto schwerer wurde es und vor allem Felix hatte zu kämpfen, denn die meisten Bücher landeten in seinem Rucksack und das war keine kleine Last. Weil meine Hände voll waren von einer zweiten Tüte mit Büchern, musste er auch noch die 27 Bögen Pappe tragen. Wir entschieden uns aus Kraftgründen für ein Taxi zum Busbahnhof. Der Weg dorthin war weiter als ich vermutet hatte, das wäre auch ohne Gepäck furchtbar anstrengend geworden, deshalb war ich sehr dankbar für das Taxi - bis der Fahrer und seinen Preis nannte.. Denn obwohl wir für je 1,40 Cedi (etwa 30 ct) von Bedes Straße in die Innenstadt gekommen waren, wollte dieser Taxifahrer jetzt ganze 10 Cedi haben! Wir diskutierten etwas rum und handelten auf 8 Cedi runter, aber normal ist das sicher nicht und solche Geschichten ärgern mich immer wieder, wenn jemand meint uns übers Ohr hauen zu müssen, bloß weil wir weiß sind. Aber dagegen kann man leider nichts machen.Wenigstens kamen wir sicher beim Busbahnhof an und hatten Glück, denn viele Menschen wollten zu dieser Uhrzeit (ca. 1:00 Uhr) nach Damongo und so mussten wir nur eine Stunde warten, bis das Trotro losfuhr. Für diese Fahrt war es allerdings schwerer das ganzes Gepäck zu verstauen, aber wir schafften es und ich hatte Glück, dass ich neben einer sehr schmalen, alten Frau saß, denn neben einem der breiten Männer hätte ich es in der Hitze nur schwer ausgehalten. Als wir ohne weitere Komplikationen in Damongo ankamen, war leider niemand zu Hause, der uns mit dem Auto abholen konnte und so nahmen wir ein Taxi, denn vor allem Felix' Last war einfach zu groß, um zum Haus zu laufen. Der Taxifahrer wollte für das wirklich nicht weite Stück ebenfalls 10 Cedi haben und weil wir beide einfach müde waren, fingen wir erst gar keine Diskussion an und waren nur glücklich endlich wieder "Zuhause" zu sein und jetzt einen ganz ruhigen Abend unterm Sternenhimmel zu genießen.

RECENT POSTS:
SEARCH BY TAGS:
bottom of page