Die Arbeit beginnt!
- Svenja Polinski
- 12. Sept. 2015
- 4 Min. Lesezeit

Am vergangenen Montag ist endlich unserer Arbeit im Kids Club angefangen. Der Kids Club ist eine Bücherei, die den Kindern und Jugendlichen der umliegenden Schulen die Möglichkeit gibt, in Ruhe zu lernen. Vormittags ist es deshalb meistens eher ruhig. Nachmittags aber wird es schon turbolenter, denn dann kommen viele Jugendliche und leihen sich Bücher aus, um sich damit in der Reading Hall zu beschäftigen. Wer meint genug gelernt zu haben, kann sich auch Spiele oder Bälle ausleihen und draußen spielen gehen, wo die Kleineren meist auch ohne zu lernen direkt hingehen. Unsere Aufgabe dabei ist der Verleih der Artikel und die Kontrolle der Mitgliedskarten - ohne die kommt keiner rein. Zusammen mit der Hauptangestellten Patience schaffen wir das auch. Oft bleibt sogar mehr als genug Zeit, sich selbst ein Buch zu nehmen und sein Wissen über afrikanische Geschichte oder Vektorenrechnung aufzubessern. Am ersten Tag wurde uns klar, dass der Drucker nicht mehr funktioniert und es unsere Aufgabe ist, ein neues Gerät zu besorgen. Nachdem wir vergeblich versucht haben Geld für einen neuen zu organisieren, hat sich Felix an den Drucker gesetzt und ich habe die Symptome "gegooglet".
Tatsächlich hatten schon andere das Problem, auf das ein Reset des Systems empfohlen wird. Man glaubt es kaum, aber mit diesem Tipp haben wir den Drucker wirklich wieder zum Laufen bringen können. Dieses Erfolgserlebnis war der perfekte Start, denn so begannen wir direkt Vorlagen für die Mitgliedskarten auf Vorrat zu kopieren. Mittwoch kam das nächste wirklich schöne Ereignis. Denn plötzlich standen da Weiße vor unseren Türen. Erst als Patience mich fragte, ob ich die kenne, sah ich, dass sich Felix da mit jemandem unterhielt. Ich hatte sie Samstag auf dem großen Markt in Damongo schon gesehen, aber sie waren zu weit weg gewesen, um sie direkt anzusprechen. Also stellte ich mich jetzt zu ihnen. Weder Felix, noch ich kannten sie, aber es waren Deutsche aus der Nähe von Osnabrück! Meike, vor 13 Jahren Freiwillige im Kids Club, mit ihren Eltern, ihrem Mann und zwei Kindern. Sie war also eins der Gründungsmitglieder und schaut seit dem alle paar Jahre mal vorbei und bewundert die Entwicklung. Eine Grund dafür ist aber sicher auch, dass ihr Mann Ghanaer ist, den sie während ihrer Zeit hier in Damongo kennengelernt und ein paar Jahre später geheiratet hat. Nach ein paar Minuten im Gespräch stellte sich heraus, dass unser Vorgänger Mattis ein Nachbar der Eltern von Meike ist und auch meine FDA-Patin Anna eine gute Bekannte der Familie ist. So klein ist die Welt, selbst in Ghana trifft man Osnabrücker. Sie waren also auf Verwandtenbesuch in Ghana und wollen auch im Dezember noch einmal bei uns vorbeischauen - ich freu mich schon darauf. Der Rest der Woche im Kids Club verlief ruhig, aber die Arbeit macht Spaß. Meistens ist es so, dass ich hinter unserem Schreibtisch sitze und neue Mitgliedskarten ausstelle und kontrolliere und Felix draußen mit den Kindern spielt, aber wir tauschen auch. Ich muss mich nur erst noch an die Sonne gewöhnen, sie hat mir letzten Samstag leichte Kopfschmerzen verpasst, seitdem bin ich vorsichtiger.
In dieser Woche waren auch unsere älteren Brüder im Haus. Die beiden, die wir in Tamale kennengelernt haben, Junior und Majid, und Steven. Wir hatten zwar nur zwei Abende mit ihnen, aber meine Spitznamenliste hat sich dank ihnen und meiner Schwester Betty trotzdem verlängert. Zum Beispiel: Eines Abends saßen wir mit ein paar Freunden der Jungs auf dem Hof und unterhielten uns über unsere Schulfächer. Als ich erzählte, dass ich Geschichte, Politik und Latein hatte, hatten wir direkt Themen, denn auch die Jungs haben fast alle Geschichte und mit einem davon konnte ich mich besonders gut unterhalten. Mit dem alten Rom fing es an bis nach Ägypten, wo wir an Kleopatra und ihrem Selbstmord hingenblieben. Da war auch schon mein neuer Name "Kleopatra" geboren, den Junior auch wirklich benutzte in den folgenden Tagen. Auch Hitler wurde angesprochen. Hitler sei doch ein guter Mann, wir sollen froh sein, dass es ihn gab. Bitte was!? Ja er hat Deutschland in der Welt bekannt gemacht - ob negativ oder positiv egal, hauptsache bekannt. Jeder kann was mit dem Namen "Deutschland" anfangen. Außerdem sei es Hitler zu verdanken, dass sich die Nationen vereint haben, zwar gegen Deutschland, aber vereint. Und seine Persönlichkeit an sich ist doch auch wirklich zu bewundern. Ein Wort und alle folgen - super! Ich habe versucht dagegen zu halten aber ich wollte an so einem schönen Abend kein ernstes politisches Gespräch anfangen, also ließ ich das Thema irgendwann fallen, denn er war nicht vom Gegenteil zu überzeugen und auf Englisch waren meine Chancen auch wohl eher gering. Es war trotzdem noch ein schöner Abend, aber es war so, wie wir darauf vorbereitet wurden. Im Ausland haben viele eine gar nicht so schlechte Meinung von Adolf Hitler. Der andere Spitzname stammt vor allem von Betty. Denn es ist Tradition, den Freiwilligen einen Namen auf Gonja zu geben. Meiner lautet nun "Bemunka". Das bedeutet, dass man Menschen erst besser kennenlernen soll, bevor man über sie urteilt oder auch meint, etwas für sie tun zu wollen. Denn, wenn man jemanden nicht kennt, ist es schwer einzuschätzen, ob es wirklich ein Gefallen ist oder man den anderen vielleicht sogar verletzt. Ich mag diese Art und Weise sich Menschen zu nähern, also der perfekte Name für mich.



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